Doppelte Flächennutzung - VitiVoltaic - 1

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    © Steffen Böttcher
    Hochschule Geisenheim University Doppelte Flächennutzung - VitiVoltaic

    Stattdessen führen wir beim Einsammeln von Sonnen-Energie ein Wort wie eine Barriere ins Feld: Flächennutzungskonflikt. Gemeint ist dabei die Konkurrenz um eine Fläche durch verschiedene Nutzungsformen, wie zum Beispiel Agrarwirtschaft und Energiegewinnung mittels Photovoltaik.

    Photovoltaik sollte mittlerweile jeder in seinen Sprachschatz aufgenommen haben. So nennt sich das Verfahren, welches aus Sonnenlicht Energie gewinnt. Es ist neben Wind- und Wasserkraft eine der wichtigsten erneuerbaren Energiequellen. Und die Abkehr von fossiler Energie ist angesichts des Klimawandels und der nötigen Energiewende eines der wichtigsten Themen unserer heutigen Zeit.

    Photovoltaik-Zellen brauchen eine recht große Fläche, um ausreichend Strom produzieren zu können. Sicher, auf Dächern oder auch an Fassaden ist das kein Problem, aber sollen sie im ländlichen Raum genutzt werden, bleibt ihnen oft kein anderer Ort als die Felder, auf denen eigentlich Nahrungsmittel wachsen sollten. Das beißt sich. Um diesen Flächenkonflikt zumindest ein klein wenig aufzulösen, entsteht an der Hochschule Geisenheim gerade ein weltweit einzigartiges Forschungs-Reallabor. Prof. Dr. Claudia Kammann, stellvertretende Leiterin des Instituts für angewandte Ökologie, und Prof. Dr. Manfred Stoll, Leiter des Instituts für allgemeinen und ökologischen Weinbau, haben sich zusammengetan und dieses Agri-PV Projekt an der Hochschule Geisenheim verwirklicht. Der Projektname „VitiVoltaic“, leitet sich von dem  lateinischen Name der Weinrebe „Vitis vinifera“ und der Photovoltaik ab. Semi-transparente PV-Zellen stehen über einem Weinberg und erzeugen hier Strom, während darunter die Trauben wachsen. „Agri-PV vermeidet diesen Flächenkonflikt“, freut sich Prof. Dr. Claudia Kammann, stellvertretende Leiterin des Instituts für angewandte Ökologie. „Aber wir wollen mehr erreichen!“

    „Unser Anspruch ist es zu schauen, ob diese PV-Anlage auch zusätzlich eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel sein kann“, ergänzt Lucía Garstka. Die Doktorandin hier am Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau arbeitet eng mit Prof. Kammann und ihrem Team zusammen und begleitet das Projekt in Planung und Start schon seit einem Jahr. Was meint sie damit? „Wir möchten herausfinden, ob wir die Kulturführung, die Klimaanpassung und auch die Nachhaltigkeit des Weinbaus durch PV fördern können“, ergänzt Prof. Kammann. Denn die PV-Zellen über den Pflanzen bieten auch Schutz vor Extremwetterereignissen wie zum Beispiel Starkregen, der mit dem Klimawandel immer häufiger vorkommt. Auch bestimmten Pilzkrankheiten, die bei zu hoher Feuchtigkeit vorkommen, könnte so vorgebeugt werden. Gleichzeitig werden die Sommer immer heißer und trockener und die halbtransparenten PV-Zellen könnten die Trauben vor Sonnenbrand schützen. Infolge des veränderten Klimas ist die Rebentwicklung insgesamt deutlich früher im Jahr, dies zieht sich durch vom Austrieb bis zur Lese. Im Frühjahr bringt dies erhöhte Spätfrostgefahr mit sich, während höhere Temperaturen bei der Reife die Mostgewichte erhöhen und den Säureabbau fördern. Die Folge sind Weine mit hohen Alkoholgehalten und niedrigen Säurewerten, manche Weine drohen sogar ihre sorten- und standorttypische Aromatik zu verlieren. Das Wasser, das bei Regen auf die Zellen fällt, wird dabei gesammelt und bei Trockenheit gut dosiert zurückgeführt werden.

    Doch das ist noch nicht alles, bei dem eine Agri-PV-Anlage nützlich sein kann: „Wir wollen den erzeugten Strom natürlich auch nachhaltig nutzen“, sagt Prof. Kammann. „Das heißt auch für den Betrieb von zum Beispiel Robotik Elementen im Weinbau.“ Automatisiert, elektrisch betriebene Roboter kümmern sich dann künftig um Bodenbearbeitung oder Pflanzenschutz, womit man den Einsatz schwerer Traktoren vermeiden kann, die wiederum einen hohen CO2-Ausstoß haben, den Boden verdichten und nicht gerade umweltfreundlich sind. Es gibt noch viel zu forschen, denn noch ist nicht klar, ob diese Anlagen zum Beispiel an steilen Hanglagen aufgebaut werden können. Aber der Ausblick ist viel versprechend: Nachhaltiger Strom, mit dem sich der Weinberg autonom versorgen kann, Sicherung von Ertrag und Qualität und eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln sind nur einige der erwarteten Nebeneffekte der doppelten Flächennutzung.

    Hier in Geisenheim bereitet man sich also auf eine spannende Reise vor und erkundet, ob unsere Superheldin Sonne möglicherweise sogar den Weinanbau ein wenig revolutionieren könnte. Spätestens dann sollten wir aber wenigstens auf sie anstoßen.

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