Gesunde Zähne - gesunder Körper? - 3

Zum Thema
Prof. Dr. Nicole Arweiler ist Direktorin der Abteilung für Parodontologie und peri-implantären Erkrankungen der Philipps-Universität Marburg.
Nahezu 70 % der Bevölkerung leiden an Parodontitis, der Entzündung des Zahnhalte-Apparates.
Der Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Krankheitsbild der Parodontitis, einer chronischen Entzündung des Zahnfleisches, die auch den Knochen befallen und im schlimmsten Fall zum Zahnausfall führen kann.
Parodontalerkrankungen erkennt man nicht unbedingt mit dem bloßen Auge.
Neben Karies verursachen Parodontalerkrankungen die häufigsten Probleme im Mund.
Prof. Dr. Nicole Arweiler, Direktorin der Abteilung für Parodontologie und peri-implantäre Erkrankungen an der Philipps-Universität Marburg, forscht seit mehr als zehn Jahren zu Parodontitis.
Die Forschung über die Zusammenhänge von Parodontitis steckt noch in den Kinderschuhen.
Parodontitis verläuft zunächst weitgehend schmerzlos.
Es gibt eine eigenständige Parodontologie-Abteilung/Lehrstuhl in Marburg, übrigens deutschlandweit nur einer von vieren.
Zu Gast bei Frau Prof. Arweiler in der Parodontologie an der Philipps-Universität Marburg
    © Steffen Böttcher
    Philipps-Universität Marburg Gesunde Zähne - gesunder Körper?

    Sie berichtet über erstaunliche Beispiele: Entzündete Hüftprothesen, die wieder entfernt werden mussten, wiesen bei der Untersuchung Parodontitiskeime auf. Neben den Bakterien, die aus dem Kiefer weiter wandern und sich im ganzen Körper verbreiten, sind es vor allem die Botenstoffe, die der Körper generell und speziell in einer Zahnfleischtasche produziert, und die eine Immunreaktion auslösen. Diese ist nicht immer nur heilsam für den Körper, sondern löst meistens eine Kaskade von Reaktionen aus, die besonders bei chronischen Entzündungen gegen den Körper gerichtet ist und zu Gewebe-Abbau führt. Ein gut nachvollziehbares, der Parodontitia ähnliches Beispiel sind rheumatische Erkrankungen, die im chronischen Stadium ebenfalls zu Gewebeabbau und irreversiblen Gelenkschäden führen können. Möglicherweise besteht auch eine Verbindung zwischen Parodontitis und Parkinson, was Prof. Arweiler mit ihren Kollegen und Kolleginnen der Klinik für Neurologie im Parkinson Netzwerk Allianz Marburg, kurz: PANAMA, zu erforschen plant. „Parodontitis hat auch Folgen in den Hirnbereich hinein.“ Ein spannendes Projekt hierzu ist, Speichel-, Blut- und Gewebeproben vieler Parkinsonpatienten aus einer Biobank zu untersuchen. „Wir suchen hier im Nachhinein nach bestimmten Enzymen, die auf eine erhöhte Parodontitis bei den betroffenen Patienten hinweisen“, ist sie begeistert. „Wenn die Hinweise sich bestätigen, machen wir daraus ein klinisches Projekt.“

    Die Forschung über die Zusammenhänge von Parodontitis steckt noch in den Kinderschuhen. Es gilt nun zu forschen, die Fühler in alle Richtungen auszustrecken und sowohl die Diagnostik als auch die Behandlung voranzubringen. „Die Wechselwirkungen sind da, die biologische Plausibilität ist auch da“, ist Prof. Arweiler überzeugt. „Das ist nicht nur Zufall.“ Deshalb wird sie auch immer wieder auf Kongresse verschiedenster Disziplinen der Medizin eingeladen, um ihr Wissen zu teilen. Noch ist die zahnmedizinische Forschung nur ein kleiner Teil der Medizin, doch das soll sich ändern. „Bei uns an der Universität ist der Verbund Inflammationsforschung geplant“, erzählt sie, ebenso ein Netzwerk zwischen Gießen, Frankfurt und Marburg. Konkret arbeitet sie auch an sogenannten Chair-Side-Tests für parodontologische Entzündungsparameter. Diese könnten, ähnlich wie ein Coronatest, zu Hause oder direkt in der Zahnarztpraxis über Speichelproben feststellen, ob eine verborgene Entzündung vorliegt. Angesichts von Bedeutung und Auswirkungen der Parodontitis können wir uns glücklich schätzen, dass es solche Forscherinnen und Forscher wie Nicole Arweiler gibt, die mit Leidenschaft und interdisziplinärem Wissen für unsere Gesundheit sorgen!

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