Sprachatlas - Die deutsche Sprache im Wandel - 1

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Prof. Dr. Alfred Lameli, Direktor des Marburger Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas an der Philipps Universität Marburg: "Wir erforschen hier, wie Sprache im Raum, aber auch in der Zeit variiert. Also, wie die deutsche Sprache zu der Sprache von heute geworden ist und wie sie sich über die Zeit entwickelt."
Über hundert Jahre Sprachforschung
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Georg Wenker (1852–1911) Statur
Die ersten Ergebnisse weisen auf deutliche geographische Unterschiede hin.
    © Steffen Böttcher
    Philipps-Universität Marburg Sprachatlas - Die deutsche Sprache im Wandel

    Doch wie stark sind die regionalen Unterschiede eigentlich wirklich ausgeprägt? Und wie verändern sie sich im zeitlichen Kontext? Daran wird schon seit dem 19. Jahrhundert sprachwissenschaftlich geforscht. Die renommierteste und traditionsreichste Institution ist hierbei der Deutsche Sprachatlas. Er umfasst sprachwissenschaftliche Erhebungen aus mehr als 50.000 Ortschaften in Deutschland, davon einige tausend Tonaufnahmen.

    Begonnen hat die Forschung mit einem wissbegierigen Bibliothekar aus Marburg. Georg Wenker (1852–1911) setzte sich das Ziel, sämtliche deutschen Dialekte zu sammeln und zu ordnen. Hierfür verschickte er mehr als 40.000 Fragebögen an die Volksschulen des Deutschen Reiches und schuf damit eine Grundlage der deutschen Sprachforschung. Sein einzigartiges Vorhaben hilft heutigen Sprachforschern bei neuen ambitionierten Projekten.

    Prof. Dr. Alfred Lameli, Direktor des Marburger Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas an der Philipps Universität Marburg empfängt uns in seinem modernen, hellen mehrstöckige Gebäude unweit der Marburger Altstadt. Hier weist nichts auf über hundert Jahre Sprachforschung hin. Er nimmt uns zu einer riesigen Sprachkarte im ersten Stock des Gebäudes mit: „Wir erforschen hier, wie Sprache im Raum, aber auch in der Zeit variiert. Also, wie die deutsche Sprache zu der Sprache von heute geworden ist und wie sie sich über die Zeit entwickelt. Unser besonderes Augenmerk liegt dabei auf regionalen Varietäten, zu denen z. B. Dialekte gehören.”

    Um das deutsche Sprechsprachliche Gesamtsystem linguistisch vollständig zu erschließen und in seiner vertikalen, räumlichen und zeitlichen Dimension umfassend zu dokumentieren, wurde 2008 das von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur geförderte Langzeitprojekt „Regionalsprache.de“, kurz: REDE, ins Leben gerufen: ein Mammutprojekt mit einer Laufzeit von geplanten 19 Jahren, in dem Erhebungen in 150 Orten in Deutschland stattfinden, um die Daten des Deutschen Sprachatlasses zu aktualisieren.

    Das Projekt dient dem Aufbau eines gigantischen digitalen Informationssystems der modernen deutschen Regionalsprachen sowie deren anschließender Analyse und Einordnung. „Hierfür wurden in verschiedenen deutschen Regionen prototypische Sprecherinnen und Sprecher gesucht“, erklärt uns Dr. Brigitte Ganswindt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Projekt. Und an diese wurden durchaus gewisse Voraussetzungen geknüpft. So wurden unterschiedliche Generationen und Berufsgruppen für das Projekt gewonnen und sprachlich analysiert. Zehn Jahre dauerten die Erhebungen, die Analyse ist in vollem Gange.

    Die ersten Ergebnisse weisen auf deutliche geographische Unterschiede hin, aber auch solche zwischen unterschiedlichen Sprechweisen: So lassen sich bereits innerhalb eines Ortes unterschiedliche Satzkonstruktionen zwischen der regionalen Alltagssprache und dem gesprochenen Hochdeutsch ausmachen.

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