Lebensqualität in Großwohnsiedlungen - 1

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Als die Großwohnsiedlungen gebaut wurden, hatte man ganz andere Faktoren im Blick als heute.
    © Steffen Böttcher
    Frankfurt University of Applied Sciences Lebensqualität in Großwohnsiedlungen

    „Über die Hälfte aller Mietwohnungen in Deutschland liegen in Mehrfamilienhäusern von 1949–1978“, bestätigt Prof. Dr.-Ing. Natalie Heger von der Frankfurt University of Applied Sciences diesen Eindruck. Die Architektin ist hier an der Hochschule nicht nur im Bereich Städtebau und Entwerfen tätig, sondern auch im Forschungslabor Nachkriegsmoderne, das sich mit genau diesen Bauwerken beschäftigt. Denn es gilt, sie nicht einfach abzureißen und neu zu bauen, sondern sie zu erhalten und zu modernisieren.

    Neben den Kosten spielt dabei auch der Wohn- und Lebensraum selbst eine Rolle: Er ist wesentlich beliebter, als man meinen könnte, wie das Projekt „Lebensqualität in Großwohnsiedlungen“ herausgefunden hat. Als die Großwohnsiedlungen gebaut wurden, hatte man ganz andere Faktoren im Blick als heute. Neben einer guten Infrastruktur und einem Schwerpunkt auf Gemeinschaft standen damals „Urbanität und Dichte“ sowie die „autogerechte Stadt“ im Vordergrund.
    Doch die Zeiten haben sich gründlich geändert: Autos sollen aus den Städten verbannt werden, und je grüner die Stadt, desto besser. Passen diese Beton-Dinosaurier also überhaupt noch in unsere Zeit?
    Tatsächlich sind diese Siedlungen meist sehr grün, erklärt Prof. Heger. „Das Mikroklima ist wirklich gut!“ Denn zwischen den Wohnblöcken gibt es zahlreiche begrünte Freiflächen, schließlich sind die Wohnungen recht klein. Auch hier stand damals schon der Mensch im Mittelpunkt: „Die Wohnungen sind oft sehr gut geschnitten. Wenig Flurflächen, dafür aber relativ große Wohnräume.“ Und auch, wenn es so manchem Hausbesitzer in der Vorstadt seltsam scheinen mag: „Die Menschen dort fühlen sich wohl!“ Denn beim Bau dieser Siedlungen im vorigen Jahrhundert hat man bereits an alles gedacht: Einkaufsmöglichkeiten gibt es dort oft auch heute noch direkt vor der Haustür, ebenso Gemeinschaftsräume, in denen sich die Bewohner und Bewohnerinnen der Siedlungen treffen können: „Das spart Fläche in den Wohnungen und sorgt für Gemeinschaft.“ Tatsächlich ist der Gemeinschaftsgedanke in einigen Siedlungen sehr ausgeprägt. Aufgrund der eher günstigeren Miete wohnen die Parteien oftmals schon seit vielen Jahrzehnten hier. Das schweißt zusammen: Man kennt sich, man schätzt sich. Man ist eine Gemeinschaft.

    Nun gilt es aber, diese Großwohnsiedlungen zukunftsfähig zu machen. Bei aller Voraussicht beim damaligen Bau: Die Anforderungen ans Wohnen haben sich geändert. Entspricht zum Beispiel die Energiebilanz noch heutigen Standards? „Die ist natürlich oft nicht so toll“, weiß Prof. Heger. Dämmung zum Beispiel besaß damals keine Priorität. Vielmehr musste schnell und effektiv gebaut werden. Und auch die Baumaterialien sind heute andere: „Gerade sind Holz und Lehm wieder hochaktuell. Man schaut heute beim Bauen oft auch zurück in die Vergangenheit.“ Damals, beim Bau dieser Kolosse, war der Blick aber streng in die Zukunft gerichtet. „In den 1960ern war alles im Aufbruch. Man war sehr mutig und hat fest an Technologie geglaubt.“ Damit diese glänzende Zukunft hier auch weiterhin gedeihen kann, forschen Prof. Heger und das Team vom Forschungslabor Nachkriegsmoderne, wie die Siedlungen zukunftsfähig weiterentwickelt werden können, ohne dabei ihren menschlichen und sozialen Wert zu verlieren. Denn: „Die Herausforderung ist, dass die Siedlungen gute Lebensorte bleiben!“ Das Forschungslabor Nachkriegsmoderne hat diese Herausforderung angenommen.

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